Lieber Pflegen statt Telefonieren

Erstellt von Gunthild Schulte-Hoppe | | Medien

Angelika Koller ist mit Leib und Seele Krankenschwester bei der Sozialstation Markdorf. Auch nach 40 Berufsjahren macht ihr die Arbeit am Patienten viel Freude. Weniger erfreulich ist die restriktive Genehmigungspraxis der Krankenkassen und das Ringen um die vom Arzt verordneten Leistungen.

 

„Statt mit den Kassen zu telefonieren, könnte ich pro Woche mindestens zwei alte Menschen pflegen“, sagt Angelika Koller, die als stellvertretende Pflegedienstleiterin zusammen mit zwei weiteren Teamleitungen für die ärztlichen Verordnungen zuständig ist. „Wir spüren ein immer größer werdendes Misstrauen vonseiten der Kassen, die Verordnungen der Ärzte zu genehmigen“, sagt sie.

In der Regel ist der Ablauf folgender: Der Arzt stellt eine Verordnung für häusliche Krankenpflege aus, wie zum Beispiel Spritzen, Infusionen, Verbände, Medikamentengabe, Kompressionsstrümpfe, aus. Der Patient beauftragt damit den Pflegedienst. Dieser reicht die Verordnung bei der Kasse zur Genehmigung ein. Zeitgleich startet die Sozialstation die verordnete Leistung. „Wir können nicht auf die Rückmeldung der Krankenkasse warten, die Patienten brauchen unsere Hilfe sofort“, sagt Wolfgang Jauch, Vorstandsvorsitzender der Sozialstation Bodensee.

Nach zwei bis drei Wochen kommt die Genehmigung – oder eben nicht. „Bei Verbandswechsel wird fast immer gekürzt. „Obwohl der Arzt einen täglichen Verbandswechsel für drei Wochen verschreibt, kann es sein, dass wir nur drei Verbände pro Woche genehmigt bekommen“, sagt Angelika Koller. Bei stark nässenden Wunden reiche das in der Regel nicht aus. Die Folge: Entweder nimmt die Sozialstation die Kosten auf ihre Kappe oder der Patient muss sie privat zahlen. Es sei auch schon vorgekommen, dass Patienten Anrufe von ihrer Krankenkasse bekommen haben, ob die verordneten Leistungen nicht selbst oder von Angehörigen gemacht werden könnten. Nachvollziehbar, dass die pflegebedürftigen Menschen verunsichert sind und sich aufgeregt bei der Sozialstation melden.

Für Angelika Koller und ihre Kolleginnen bei der der Sozialstation Bodensee zieht das viele Telefonate und das Erstellen von Wunddokumentationen nach sich. Das alles kostet Zeit, die letztlich auf Kosten der Patienten geht. Das Misstrauen gegenüber den Ärzten und der Sozialstation ärgert die erfahrene Fachfrau. „Die Ärzte und die Pflegerinnen vor Ort wissen am besten, was die Patienten brauchen. Schließlich sind wir seit 40 Jahren ein seriöser ambulanter Pflegedienst“.

Unverständnis auch bei ihrem Chef. „Der Hilfebedarf der alternden Gesellschaft steigt auch in unserer Region und es wird immer schwerer ihm gerecht zu werden – Stichwort Fachkräftemangel“, sagt Wolfgang Jauch. „Schon allein deshalb ist es in unserem Sinn, nicht mehr als notwendig zu machen. Diese strikte Sparpolitik der Kassen ist umso unverständlicher, da sie Millionen Überschüsse erwirtschaften und die tatsächlichen Ausgaben für die ambulante Behandlungspflege nur ca. 2,5 Prozent betragen.“

Ein weiterer Punkt, der für Unmut bei den zuständigen Mitarbeiterinnen sorgt: Oft ziehen mehrere Wochen ins Land bis beispielsweise ein Rollstuhl, ein Badewannenlifter oder eine Wechseldruckmatratze von den Kassen genehmigt und von dem beauftragten Sanitätshaus geliefert wird. Auch dies geht zu Lasten der Patienten und der Pflegekräfte.

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Angelika Koller verbringt mehr Zeit am Telefon als ihr lieb ist. (Foto: Sozialstation Bodensee e.V.)