Wie wirkt sich die Impfpflicht aus?

| 2022

Für Pflegeberufe gilt seit 16. März 2022 die Corona-Impfpflicht. Was das für die Sozialstation Bodensee bedeutet, lesen Sie in diesem Interview, das unser Vorstandsvorsitzender Wolfgang Jauch der Südkurier-Redakteurin Stefanie Noßwitz am 17. März gegeben hat.

Seit 16. März gilt die berufsbezogene Impfpflicht. Wie wirkt sich das auf Ihre Einrichtung aus?
Die Versorgung unserer Bestandspatienten ist nach dem heutigen Stand für alle Einrichtungen der Sozialstation Bodensee gesichert, wobei einzelne Standorte temporär Unterstützung durch Fachkräfte von anderen Stationen benötigen. Was für unserer Mitarbeiter auch ein hohes Maß an Flexibilität voraussetzt. Damit können wir aktuell die Versorgung unserer Bestandskunden sichern, werden aber nach dem heutigen Stand der Dinge mit Ausnahme von Palliativversorgungen zunächst keine Neukunden mehr aufnehmen sowie keine zusätzlichen Leistungen bei unseren Bestandskunden mehr übernehmen können. Ebenso ist der Faktor „Planungsunsicherheit“ auch noch zu erwähnen, da uns die Gesundheitsämter keine Bearbeitungs-Zeitfenster nennen können, der Verwaltungsakt kann zwischen drei Tagen und 3 bis 6 Monaten liegen. So ist die Neuaufnahme von Patienten, mit denen wir einen Versorgungsvertrag abschließen, sehr schwierig. Wir können die Sicherstellung einer Versorgung aktuell nicht garantieren, da wir jederzeit mit „Betretungsverboten“ rechnen müssen. Was zur Folge einen Versorgungsengpass nach sich ziehen würde!

Wie steht es um den Immunisierungsstatus Ihrer Mitarbeiter? Wieviel Prozent sind genesen bzw. geimpft?
Wir haben aktuell ca. 10 Prozent ungeimpfte Mitarbeiter auf der gesamten Sozialstation Bodensee. Wobei sich auch einige aktuell noch im Genesenen Status befinden.

Wie hat sich die Impfbereitschaft durch die Impfpflicht verändert?
Auch durch die Einführung der Impfpflicht konnten „Impfverweigerer“ nicht erreicht bzw. überzeugt werden. Bei vielen Mitarbeitern spielt der Faktor „Angst“ eine große Rolle, die oftmals auch durch viele Mitarbeitergespräche nicht genommen werden konnte.

Gab es Kündigungen?
Ja, aber nur ganz vereinzelt. Die meisten Mitarbeiter warten die Maßnahmen ab, die durch die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht folgen werden.

Wie gehen Sie derzeit mit ungeimpften Mitarbeitern und Impfverweigerern um? Gibt es Gespräche, Angebote?
Es wurden mit jedem ungeimpften Mitarbeiter einzeln gesprochen, mit dem Versuch Ängste zu nehmen, Aufklärung zu leisten und Hilfestellungen anzubieten, wie z.B. die Möglichkeit auf alternative Impfstoffe zu warten.

Wann müssen ungeimpfte Mitarbeiter mit Bußgeld und Betretungsverbot rechnen? Wie läuft die Meldung ans Gesundheitsamt?
Zum aktuellen Zeitpunkt sind uns keine Zeitfenster bekannt, wann Bußgelder oder Betretungsverbote folgen werden. Die Mitarbeiter müssen über eine Digitalplattform, die seit dem 15.03.22, 24.00 Uhr online gestellt ist, gemeldet werden. Da es sich bei diesen Meldungen um sensible Daten handelt, muss der Datenschutz natürlich sichergestellt sein. Daher müssen sich die Einrichtungen erst über einen ELSTER-Zugang auf der Digitalen Plattform registrieren und können dann ihre ungeimpften Mitarbeiter melden.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zwar ungeimpft sind, sich aber zum jetzigen Zeitpunkt im Genesenen-Status befinden, müssen nach dessen Ablauf nachgemeldet werden. Wobei die Einrichtungen verpflichtet sind, sicherzustellen, dass diese Mitarbeiter 4 Wochen vor Ablauf ihres Genesenen-Status informiert werden, um ihnen die Chance zu geben, sich noch impfen zu lassen. Eine Meldung in „Papierform“ ist nur in Ausnahmefällen erwünscht.

Halten Sie die Impfpflicht für ein sinnvolles Instrument? Was erwarten Sie weiterhin von der Politik, wie werden Sie unterstützt?
Noch vor drei Monaten hätte ich hierauf geantwortet, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit nachgelagerter allgemeiner Impfpflicht der Königsweg ist. Seit Verbreitung der Omikron-Variante, bei der unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ungeachtet ihres Impfstatus‘ gleichermaßen erkranken - teilweise sogar schon mehrfach – und sich sowohl hinsichtlich der Schwere der Krankheitsverläufe als auch hinsichtlich einer verstärkten Verbreitung des Virus durch ungeimpfte Mitarbeiter nach den Erfahrungen unserer Einrichtungen keine Kausalität zum Impfstatus hergestellt werden kann,  bin ich der Auffassung, dass eine Impfung ohne spürbare Wirkung des Impfstoffes nicht vermittelbar ist, insbesondere wenn es darum geht, dass genau auf dieser Basis verdiente, zum Teil langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Impfschutz in absehbarer Zeit ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Selbstverständlich hat der Schutz der uns anvertrauten Menschen alleroberste Priorität. Allerdings sind wir der Auffassung, dass durch unsere seit längerem praktizierten hausinternen Vorschriften im Umgang mit der Pandemie, die weit über den politischen Corona-Vorgaben liegen, ein zumindest ebenbürtiger Schutz für unsere Patienten hergestellt ist.
Von der Politik erwarte ich, dass umgehend die bislang eher halbherzig diskutierte allgemeine Impfpflicht zum Tragen kommt (wenn auch sinnlos bei der Omikron-Variante in Verbindung mit den aktuell zur Verfügung stehenden Impfstoffen) oder die einrichtungsbezogene Impfpflicht so lange auszusetzen, bis ein wirksames Vakzin auf dem Markt verfügbar ist.

Stellen Sie in Zukunft nur noch geimpftes Personal an? Wird es schwieriger werden, neue Mitarbeiter zu bekommen?
Bei der Sozialstation Bodensee werden ab dem 15. März 2022 keine ungeimpften Bewerberinnen und Bewerber mehr berücksichtigt. Der Pflegenotstand als solches hat schon die Gewinnung von neuen Mitarbeitern nahezu unmöglich gemacht. Durch die seit März 2020 andauernde Pandemie und die damit verbundenen Vorschriften und Einschränkungen, hat der Pflegeberuf darüber hinaus weiter an Attraktivität verloren und die jetzt auch noch eingeführte Impfpflicht wird die schwierige Lage beim Thema „Gewinnung neuer Mitarbeiter“ nicht gerade verbessern.

Befürchten Sie einen Versorgungsengpass in der Pflege durch die Impfpflicht?
Ich denke der Versorgungsengpass ist schon seit langer Zeit da und wird durch die Impflicht nur noch verschärft werden.

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Vorstandsvorsitzender Wolfgang Jauch beantwortet die Fragen des Südkuriers.