"Führungskräfte fallen nicht vom Himmel"

| 2021

Seit einem Jahr hält uns das Corona-Virus in Atem und hat unser aller Leben verändert. Beim Blick in die Zukunft ist vieles ungewiss, anderes aber ist jetzt schon absehbar. Darüber hat Socius-Redakteurin Gunthild Schulte-Hoppe mit dem Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Jauch gesprochen.

Herr Jauch, bereits vor einigen Jahren haben Sie das „Szenario 2030“ entworfen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz nach vier Jahren aus?
Eine ganz klare Erkenntnis des Szenarios war, dass bis 2030 in unseren vier Einrichtungen rund 140 Pflegekräfte altersbedingt ausscheiden werden. Durch konsequente Umsetzung der im Szenario 2030 genannten Lösungsstrategien, ist es uns gelungen, nicht nur den bis heute eingetretenen Renteneintritt von 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kompensieren, sondern wir haben darüber hinaus gegenüber 2016 den Personalstand um weitere 25 Pflegekräfte erhöhen können.

Allerdings heißt dies auch, dass bis 2030 immer noch rund 80 Renteneintritte ausgeglichen werden müssen.
Ja, und dies betrifft Pflegekräfte und Führungskräfte gleichermaßen. Dennoch meine ich, wir sind mit unserer aktuellen Personalentwicklungsstrategie, die auf drei Säulen basiert, auf einem sehr guten Weg, auch diese Hürde zu meistern.

Welches sind die drei Säulen?
Wir setzen weiterhin auf Fachkräfteausbildung im eigenen Haus sowie auf die Gewinnung von Fachkräften über den Arbeitsmarkt und auf unser neues Programm zur Gewinnung von Führungskräften.

Wie sieht das konkret aus?
In der ersten Säule geht es um die Gewinnung und Qualifizierung von pflegeaffinen Stellensuchenden ohne spezielle Pflegeausbildung – z.B. Pflegende Angehörige, die durch diese Aufgabe Interesse an der Kranken- und Altenpflege gefunden haben. Nach einer gewissen Einarbeitung im hauswirtschaftlichen Bereich, nehmen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unserer „Fortbildungsoffensive“ teil, die wir bereits vor drei Jahren ins Leben gerufen haben. In Zusammenarbeit mit der Justus-von-Liebig-Schule in Überlingen geht es darum, diese Mitarbeiter in einer etwa sechsmonatigen Maßnahme an die ambulante Pflege heranzuführen. Anschließend haben sie die Möglichkeit, eine einjährige oder die generalistische dreijährige Ausbildung zu machen. Corona hat uns leider letztes Jahr ausgebremst. Wir hoffen, noch dieses Jahr mit einem neuen Kurs starten zu können, sobald es die Rahmenbedingungen zulassen.

Welche Erfahrungen haben Sie damit bisher gemacht?
Der erste Kurs kam bei den 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr gut an und alle haben bis zum Ende durchgehalten. 15 von ihnen sind anschließend in eine staatlich anerkannte Ausbildung gegangen. Schließlich bekommen sie als qualifizierte Kräfte ein interessanteres Aufgabengebiet, ein besseres Gehalt und später eine höhere Rente.

Und die zweite Säule?
Hier setzen wir auf die Gewinnung externer Fachkräfte, die einen attraktiven Arbeitsplatz in einem innovativen Unternehmen suchen. Es gilt, diese durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam zu machen und letztlich dauerhaft bei uns einzubinden. Dies setzt jedoch voraus, dass wir unser bisheriges Einarbeitungskonzept auf den Prüfstein stellen und die eine oder andere Anpassung vornehmen. Hier besteht noch Handlungsbedarf!

Bleibt die dritte Säule, von der Sie sprachen.
Führungskräfte fallen nicht vom Himmel, sondern wir müssen was dafür tun. Deshalb starten wir im Rahmen unserer Personalentwicklungsstrategie in diesem Jahr unser neues Trainee-Programm, um zukünftige Führungskräfte auszubilden und auf ihre Leitungsfunktion vorzubereiten. Zum Beispiel als Teamleitung oder Leitung einer unserer Pflegestützpunkte in Gemeinden unseres Einzugsgebietes.

Wer kommt für das Trainee- Programm in Frage?
Wir wenden uns an unsere eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits bestimmte Qualifikationen erworben haben, sowie bei uns bereits tätige Teamleitungen, die ihre praktische Erfahrung mit theoretischem Wissen untermauern wollen. Auch externe Bewerberinnen und Bewerber, die nach erfolgreichem Pflegestudium ins Mittelmanagement aufsteigen möchten, sind willkommen.

Was erwartet die zukünftigen Führungskräfte und wann startet das erste Traineeprogramm?
Zu den Bausteinen, die wir in Zusammenarbeit mit externen und internen Fachreferenten ausarbeiten, gehören unter anderem Kommunikation, Gesprächsführung, Personalplanung, Teamführung und Betriebswirtschaft. Es ist eine sehr praxisnahe Ausbildung über voraussichtlich sechs Monate, die auch die ambulante Pflege bei den Patienten einbezieht. Wenn alles steht, wollen wir Mitte des Jahres loslegen.

Wer Sie kennt, weiß, dass Sie ein umtriebiger Mensch sind. Was steht 2021 sonst noch auf der Agenda?
Da gibt es in der Tat einige Themen, die hier nur angerissen werden können:

  • Die Tages-/Nachtpflege in Salem-Mitte steht kurz vor der Fertigstellung. Wir hoffen, im Mai die ersten Tagesgäste begrüßen zu können.
  • In Steißlingen sind wir gerade dabei, nach Salem-Mitte, Frickingen und Owingen unseren vierten Pflegestützpunkt zu eröffnen. Wie in Salem-Mitte sind wir auch dort mit einem Team vor Ort und einer verantwortlichen Fachkraft – quasi als kleine Außenstelle der Sozialstation.
  • In Überlingen startet ein Forschungsprojekt zur e-Mobilität, für das wir Fördergelder generieren konnten.
  • Wir sind gerade dabei, den gesamten Einkauf für alle vier Standorte zu zentralisieren. Das nimmt den einzelnen Stationen Arbeit ab und wir können bessere Konditionen bei der Beschaffung aushandeln.
  • Die Digitalisierung gewinnt auch in unserer Branche an Bedeutung. Deshalb sind wir froh, eine deutlich höhere Kapazität bei unseren Datenleitungen zu bekommen.
  • Apropos Digitalisierung: Um die Pflegedokumentation zu vereinfachen, wollen wir die digitale Patientenmappe mittels Tablets testen.
  • Außerdem können wir aufgrund des neuen Pflegekräftestärkungsgesetzes für Digitalisierung eine staatliche Förderung in Höhe von 40 Prozent in Anspruch nehmen und werden unter anderem Laptops für Schulungen für das im Aufbau befindliche digitale Fortbildungszentrum für unsere Mitarbeiter anschaffen.

 

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Vorstandsvorsitzender Wolfgang Jauch