Pflegestärkungsgesetz II: Aus Pflegestufen werden Pflegegrade

| 2017

Zu Beginn des neuen Jahres klingeln die Telefone in der Sozialstation Bodensee besonders häufig. Der Grund: Das neue Pflegestärkungsgesetz ist am 1. Januar in Kraft getreten und bringt einige Neuerungen mit sich.

War bei der Pflegebedürftigkeit bislang von drei Pflegestufen die Rede, erfolgt die Einteilung jetzt in fünf Pflegegrade. „Damit einher geht ein gänzlich neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff“, sagt Marlene Scheu, Pflegebereichsleiterin (PBL) bei der Sozialstation Markdorf.

Nach dem bisherigen System wurde der Pflegebedarf zeitbezogen anhand des Hilfebedarfs bei gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, Ernährung, Mobilität und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung festgestellt. Neuerdings wird der Pflegebedarf anhand der Einschränkung der Selbständigkeit festgestellt und berücksichtigt deutlich mehr Faktoren als bislang. Insbesondere auch geistige und kognitive Fähigkeitseinschränkungen. „Damit ist der Gesetzgeber auf die Kritik eingegangen, dass Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, zum Beispiel Demenz, zu wenig berücksichtigt wurden“, erläutert Sigrid Koch, PBL in Salem.

Steht allen Kunden der Sozialstation und anderer ambulanter Pflegedienste jetzt eine neue Prüfung des Medizinischen Dienstes ins Haus? „Nein, vorerst nicht“, versichert die Überlinger PBL Ulrike Auer. „Die Einstufung übernehmen die Pflegekassen, sie informieren auch ihre Kunden“. Dabei müsse niemand fürchten, schlechter eingestuft zu werden und somit weniger Leistungen zu erhalten. In der Regel würden die Kunden um einen Grad, manche um zwei höher eingestuft als bisher und hätten dadurch mehr Geld- oder Sachleistungen zur Verfügung.

Aus der Umstellung auf die Pflegegrade resultiert ein teilweise veränderter Rhythmus für die Pflegeberatungsbesuche. „Kunden mit Pflegegrad 1 bis 3 erhalten halbjährliche einen Besuch, Patienten mit Pflegegrad 4 und 5 werden vierteljährlich besucht“, erklärt Karin Schneider, PBL in der Sozialstation Stockach.

 

Veränderte Leistungen der Pflegekassen

Zusammen mit den neuen Pflegegraden gelten ab dem 1. Januar auch neue Leistungsbeträge der Pflegekassen. Das bedeutet, dass das Pflegegeld sowie die Pflegesachleistungen höher ausfallen als bislang. Das trifft insbesondere für Personen zu, denen die Pflegekasse eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz (EAK) aufgrund einer Demenzerkrankung bestätigt hat. Ulrike Auer: „Ob diese für die betroffene Person bescheinigt ist, kann dem MDK-Gutachten entnommen oder bei der Pflegekasse nachgefragt werden.“ Aus den veränderten Leistungen ergäben sich keine Nachteile, jedoch würden einzelne Beträge anders verteilt, als bisher. Als Beispiel führt Marlene Scheu den Entlastungsbetrag (bisher Betreuungs- und Entlastungsleistungen) an:

Zum Schluss haben die Pflegedienstleiterinnen noch einen Tipp für den reibungslosen Übergang für ihre Kunden: „Die Pflegekassen geben die neuen Einstufungen nicht an die ambulanten Dienste weiter. Um den geltenden Besuchsrhythmus für Pflegeberatungsbesuche und eine reibungslose Abrechnung sicherzustellen, sollten die Kunden ihren Pflegedienst über die neue Einstufung informieren.“

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Die Pflegebereichsleiterinnen Sigrid Koch, Karin Schneider, Marlene Scheu und Ulrike Auer (von links) müssen dieser Tage viele Fragen beantworten. (Foto: Sozialstation Bodensee e.V.)